Gastbeitrag von Jean
Hi, ich bin Jean, Idealistin im Herzen. Ich lese, schreibe und kommuniziere gern, habe mehr Gedanken und Ideen, als ich festhalten kann, mag Menschen, Heißgetränke und gute Gespräche und ich liebe meine Familie, mein Veedel und das Welt entdecken.
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Ich liebe Stifte. Und Papier. Und beides zusammen, seit ich denken kann. Schreiben, zeichnen, kreativ sein: Um Bilder, Ideen, Erinnerungen und Gedanken festzuhalten, ja – neue Welten zu erschaffen, brauchte es nichts als diese beiden Dinge. Bis heute schätze ich die Einfachheit und die beinahe unbegrenzten Möglichkeiten, die Stift und Papier mit sich bringen. Die Klarheit, die in meinem Kopf entsteht, wenn ich etwas handschriftlich festgehalten habe und die Verlässlichkeit, die es mir vermittelt, etwas physisch niedergeschrieben oder in schnellen Strichen visualisiert zu wissen, die stellt sich einfach nicht genauso ein, wenn ich dieselbe Information in mein Smartphone tippe oder in eine beliebige Orga-App eintrage. Wobei ich digitalen Notiz-, Erinnerungs-, Termin- und Kreativsystemen keinesfalls ihren sehr praktischen Nutzen absprechen oder meine berufliche und gelegentlich auch private Nutzung derselben leugnen will. Doch mein Herz, das schlägt trotz all der angenehmen Optionen des digitalen Zeitalters für den altmodischen Weg. Stift und Papier und ich – wir mögen uns einfach, kommen wunderbar miteinander klar, darauf kann ich zählen. Ich kann mir Dinge, die ich von Hand festgehalten habe auch tatsächlich besser merken. Wer kennt es noch?
Mein erstes Tagebuch bekam ich mit 12 und schrieb seit dem mehr oder weniger regelmäßig auf, was ich so erlebte. Das Hausaufgabenheft war nicht nur für Einträge sondern auch für passende Kritzeleien und Skizzen da. Nach der Schulzeit kamen dann Terminplaner in mein Leben, die am Ende eines Jahres einen schönen Überblick über das Erlebte und Erledigte gaben. Ohne zusätzliche Notizbücher- und Zettel kam ich trotzdem nicht aus. Listen, Ideen, Reminder, Scribbles, Brainstormings – all diese Dinge und viele andere mehr fanden einfach keinen Platz in meinem Timer und machten sich stattdessen überall da breit, wo sonst Platz war… auf dem Schreibtisch, in Schubladen, am Kühlschrank und in Taschen. Und auf unzähligen Post-its. Es störte mich nicht besonders, aber es war auch nicht besonders übersichtlich so. Ich verbrachte doch eine Menge Zeit mit der Suche nach der richtigen Information. Ich wusste nicht was mir (und dass mir etwas) fehlte, bis ich letzten Herbst auf das Konzept des Bullet Journaling stieß.
Viel wurde darüber geschrieben, berichtet, gepostet und ein bisschen auch gehyped – ich bin meist eher skeptisch und ein vielleicht auch bewusst ein bisschen „immun“ gegenüber Hypes und entsprechend spät darauf gestoßen, doch kann ich guten Gewissens hier schreiben: Es war wie eine kleine Offenbarung für mich. So simpel wie sinnvoll. So einfach wie effektiv. So klar wie kreativ. Es ist wie ein persönlicher Assistent, eine Cloud für das Gedächtnis, der perfekte Partner in crime beim Organisieren, oder wie der Erfinder des Konzepts, Ryder Carroll, (http://bulletjournal.com/) es ausdrückt – The analog system for the Digital Age. „Also im Prinzip so ein bisschen wie eine App.“, meinte mein Ehemann, als ich ihm begeistert von meiner Entdeckung berichtete.
„Who knows what a bullet journal is and would you recommend doing one?“ fragte jemand bei Instagram und ich las den Begriff Bullet Journal zum ersten Mal. Ich hatte keine Ahnung. In den Kommentaren hieß es, dass es perfekt für Menschen sei, die gerne Dinge niederschreiben um sich zu organisieren und eine Person schrieb sogar, dass es ein regelrechter game changer für sie gewesen sei. Das machte mich neugierig, also sah ich mir nach einer kurzen Google-Suche das Video des Erfinders an und beschloss, es einfach Mal zu versuchen. Hatte ich schon erwähnt, dass ich schöne Notizbücher liebe? Die zählen zu Papier, nicht? Ich entschied mich, wie wohl die meisten Bullet Journalists, für eines mit punktkarierten Seiten. Fehlte nur noch der Stift. So warf ich meinen alten Timer noch im Herbst über Bord und begann mein erstes Bullet Journal. Man beginnt auf leeren Seiten. Papier und Stift, mehr braucht es nicht. Alles kann, nichts muss.
Alles, was zuvor auf Timer-Seiten, in Notizbüchern, in Gedanken, im Kalender auf Post-Its und unzähligen Zetteln gewohnt hatte, fand ein neues Zuhause an einem einzigen, zentralen Ort – dem Bullet Journal. Und auf einmal war da auch ein Platz für Dinge, die sonst nur im Kopf stattgefunden hatten, wie zum Beispiel eine fortlaufende Wunschliste der zu besuchenden Orte auf der Welt oder die besten Momente des letzten Monats oder der lustige Kommentar, den meine Oma beim letzten Familientreffen heraushaute und den ich ohne Bullet Journal ganz sicher nirgends notiert und schnell wieder vergessen hätte. Diese Offenheit und Flexibilität des Systems machten das Bullet Journal für mich nicht nur zu einem neuen, praktischen Planungssystem für meine Termine und to-dos sondern gleichzeitig auch zu einem Ort fürs Pläne schmieden, zum Ziele festhalten, für Träume und Erinnerungen. Alles Wichtige in einem Buch zusammenzuführen, verschafft mir insgesamt einen viel ganzheitlicheren Überblick über meinen Tag, meine Woche, mein Leben, der weit über bloße Termine und To-dos hinaus geht. Es macht Prioritäten sichtbarer und deutlich.
Es war erst ungewohnt und eine Überwindung, auch kleinere und vor allem alltägliche Aufgaben gezielt einem Zeitpunkt (Tag, Monat) zuzuordnen und diese dann, sofern sie nicht erledigt wurden, nicht nur im Kopf und lose sondern schriftlich und konkret einem neuen Zeitpunkt zuzuweisen oder – und das ist einer der genialen Nebeneffekte des Prinzips – im regelmäßigen Rhythmus zu hinterfragen, was man erreichen möchte, warum man etwas verschiebt, wie und wann man es am besten erledigt bekommen könnte oder auch was zur Erledigung noch fehlen mag… oder eben, ob man es ganz fallen lassen kann. Das Bullet Journal macht mich mir selbst und meinen Vorhaben gegenüber tatsächlich noch verbindlicher. Man kann das Ganze natürlich ganz frei und jeweils so detailliert oder so vage gestalten, wie man mag.
Im Bullet Journal ist Platz für alles – persönliche und berufliche Ziele können festgehalten, Gewohnheiten getrackt und Rezeptideen samt Zutaten aufgelistet und, das ist mit das Beste, am Ende als umgesetzt markiert werden. Alle, die Listen und das Abhaken lieben, werden es großartig finden. Ohne Bullet Journal würde es sicher in Vergessenheit geraten, dass man nun schon seit Wochen vor hat, das Garnelen-Risotto aus dem Kochkurs nach zu kochen – hat man es aber gleich für ein Wochenende notiert, geht es ganz bestimmt nicht so schnell unter oder würde spätestens am Monatsende, wenn man alle Seiten noch mal durchgeht, auffallen und, sofern man mag, einen neuen Platz im nächsten Monat bekommen. Das Prinzip lässt sich natürlich auch auf alle möglichen anderen Vorhaben und Pläne übertragen.
Neben den vielen organisatorischen Vorteilen ist der Aspekt, den ich jedoch mit am meisten am Bullet Journaling schätze der Raum, den es für Kreativität bietet. Es funktioniert natürlich auch wunderbar, einfach nur von Tag zu Tag alle Termine, Infos und to-dos mit einem schwarzen Stift und ohne Schnickschnack aufzuschreiben. Doch ebenso ist es möglich, sich den Tag, die Woche oder den Monat, das Event, die Liste oder die Notiz in bunten Farben auszumalen und jede Seite ganz individuell zu gestalten. Zeichnen, Malen, Verzieren, Kleben und Washi-Tape verteilen – es gibt 1000 Möglichkeiten, das Bullet Journal so farbenfroh und einprägsam zu gestalten, wie es einem gefällt. Wie schon gesagt – alles kann, nichts muss. Aber wer macht sich die Welt nicht gern ein bisschen schön?
Ich zumindest konnte mich auf den grauen November gleich viel mehr freuen, weil ich ihm ein hübsches Titelblatt gewidmet hatte. Und so ein bisschen ist das Bullet Journal auch ein Outlet, für die Kreativität in mir, die über die Jahre durch Berufsleben und Alltagsstress ziemlich nach hinten gerückt ist. Wenn ich also ohnehin die Tabelle für die neue Woche einzeichne und meine Termine plane, dann geht es schnell und macht riesigen Spaß, auch noch eine kleine Zeichnung hinzuzufügen oder mal was Neues mit der Schrift auszuprobieren. (An alle Handlettering-Fans da draußen – für euch wär‘ das auch was!) 😉
Allen Freunden von Papier und Stift also, allen Listenschreibern, Post-it-Klebern, Notizenverteilern und Kreativköpfen, den Orga-Freaks, Individualisten und Analog-Fans und allen, die einfach neugierig sind und gerne etwas Neues ausprobieren, kann ich das Bullet Journal nur von Herzen ans Herz legen. Hallo 2018! Hallo Februar! Hallo stinknormaler Dienstag, der neue Inspiration oder einen Plan braucht! Alles kann, nichts muss.
Danke, liebe Jean, für deine wundervollen Beitrag und für den kleinen Einblick in dein ganz persönliches Bullet Journal. <3